Diabetes und Übergewicht durch die Sommerzeit?
von: Hubertus Hilgers, Arzt
„Der Schlaf nährt“ – wie dieses altväterliche Sprichwort zeigt, ist der Zusammenhang von Schlaf und Gesundheit schon sehr lange bekannt.
Wie wichtig es für den Körper ist, regelmäßig und ausreichend zu schlafen, belegen immer wieder neue Studien: Unter anderem begünstigt regelmäßiger Schlafmangel nachweislich die Entstehung von Übergewicht und Diabetes.
Der Schlafmangel in der modernen 24-Stunden-Gesellschaft werde „immer häufiger als zusätzlicher Faktor ausfindig gemacht, der die Gesundheit des Stoffwechsels negativ beeinflusst“, zitiert Wissenschaftsautor Peter Spork in seinem neuen Buch „Wake up!“ den Diabetologen Bernd Schultes aus St. Gallen. Mit Kollegen fordere der Experte im anerkannten Fachblatt „Lancet Diabetes & Endocrinology“, „Mediziner sollten in Zukunft vielen ihrer Patienten einfach besseren Schlaf verordnen. Damit würden sie Stoffwechselkrankheiten vorbeugen und behandeln.“
Doch auch unter einem gestörten inneren Rhythmus leidet die Gesundheit: Der Stoffwechsel des Menschen ist durch den Tag-/Nachtrhythmus getaktet, der dafür sorgt, daß Gehirn und Körper immer ausreichend mit Nährstoffen versorgt sind. Tagsüber wird dieser Bedarf durch die Nahrung gedeckt, nachts greift der Körper auf seine Reserven zurück und versorgt das Gehirn mit Hilfe der Glukoneogenese mit Glukose. In dieser Phase nimmt sowohl die Insulinsekretion als auch die Insulinsensitivität ab. Gerät die innere Uhr aus dem Takt, wie beispielsweise durch die Zeitumstellung auf MESZ, führt dies über kurz oder lang zu einem erhöhten Blutzuckerspiegel.
Kommt dann noch chronischer Schlafmangel hinzu – auch das eine häufige Folge des Lebens in der MESZ – verstärkt sich die Gesundheitsgefahr. Dies bestätigte eine im November 2012 veröffentlichte Studie der Harvard-Universität. In einer epidemiologischen Studie simulierten die US-Forscher bei gesunden Studienteilnehmern die Bedingungen von Schichtarbeitern: Die Schlafdauer wurde für drei Wochen auf 5 Stunden und 35 Minuten pro Nacht beschränkt und der Tag-/Nachtrhythmus systematisch gestört. Der Schlafmangel und die Störung der inneren Uhr bewirkten bei den Probanden gemeinsam eine Veränderung des Energiestoffwechsels hin zu einer Vorstufe von Diabetes: Der Grundumsatz, die Insulinausschüttung sowie die Insulinsensitivität nahmen ab. Der Blutzucker war zudem nach den Mahlzeiten deutlich erhöht.
Die Probanden versuchten zusätzlich, ihre Schläfrigkeit mittels einer erhöhten Aufnahme von fett- und kohlenhydratreicher Nahrung zu kompensieren. Die veränderte Stoffwechsellage und die zusätzliche Energiezufuhr führten letztlich zu einer Gewichtszunahme.
Aktuelle Zahlen zum Thema Übergewicht und Diabetes aus Deutschland sind besorgniserregend:
Laut der Deutschen Gesundheitsumfrage aus dem Jahr 2012 haben 7,2% der Bevölkerung einen bekannten Diabetes und zusätzlich 2,1% einen unentdeckten Diabetes (insgesamt 9,3%). Diese Zahl basiert auf einer repräsentativen nationalen Bevölkerungsstichprobe im Alter von 18-79 Jahren. Basierend auf Berechnungen bei Versicherten der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) und Hochrechnung auf ganz Deutschland gab es im Jahre 2009 8,0 Millionen behandelte Diabetesfälle, entsprechend 9,7% der Bevölkerung. Das entspricht einem Anstieg von 49% gegenüber dem Jahr 2000 (5,4 Millionen Fälle oder 6,5% der Bevölkerung). Die höchsten Steigerungsraten zeigen sich bei den über 60-jährigen. Von ihnen haben nach den neuesten Ergebnissen des Leipziger Forschungszentrums für Zivilisationskrankheiten (LIFE-Gesundheitsstudie von 2013) mehr als ein Fünftel Typ-2-Diabetes, ein knappes Drittel gilt als fettsüchtig (BMI über 30).
Bei Kindern und Jugendlichen ist eine große Zahl übergewichtiger Kinder gefährdet, an Typ-2-Diabetes zu erkranken. Zudem haben viele bereits Gefäßschäden. Zum Typ-2-Diabetes und der Adipositas (starkes Übergewicht) im Kindes- und Jugendalter sagt Wieland Kiess, Chefarzt und Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Kinder und Jugendliche in Leipzig: „6 bis 8 % aller deutschen Kinder sind adipös, 11 bis 13 % übergewichtig. Dies bedeutet, daß mehr als doppelt so viele Kinder und Jugendliche adipös sind wie vor 10 Jahren. Circa 10 bis 20 % adipöser Jugendlicher haben bereits eine Störung des Kohlenhydratstoffwechsels, also einen Vorläufer des Diabetes. Außerdem haben wir mindestens eine jährliche Verfünffachung der Neuerkrankungen an Typ-2-Diabetes bei Jugendlichen in Deutschland.“
Aus der Zellbiologie und der Physiologie ist bekannt, daß entscheidend ist, wie lange ein krankmachender Reiz auf die Zelle oder den Organsimsus einwirkt. Bleibt der krankmachende Reiz aus, benötigt die Zelle bzw. der Organismus mindestens dieselbe Zeitdauer um sich zu regenerieren. Bis 1996 galt die Sommerzeitverordnung in der EU von Ende März bis Ende September, also für sechs Monate. Derzeit gilt die Sommerzeitverordnung für sieben Monate, der krankmachende Reiz setzt also bereits innerhalb der Erholungsphase erneut ein. Hier könnte eine der Ursachen dafür liegen, dass viele Krankheiten an Zahl und Stärke von Jahr zu Jahr kontinuierlich zunehmen.
Doch wir haben es in der Hand, daß wir alle einer gesünderen und sicheren Zukunft entgegen sehen. Wir müssen uns gegen die Sommerzeitverordnung wehren!
Vielen herzlichen Dank für Eure Mithilfe und Euer Engagement.
Mit gesundheitlichen Grüßen
Ihr / Euer
Hubertus Hilgers